BY Dominikus Mueller in Frieze | 06 MAR 15

Aktuelle Ausstellung: Max Schmidtlein – Gillmeier Rech, Berlin

Max Schmidtleins Einzelausstellung Detox Plus ist eine sehr zeitgenössische Malereiausstellung. Nicht schon wieder „zeitgenössische“ Malerei, denkt man gleich. Malerei, die alles anders machen will und die es doch wie Sand am Meer gibt; die sich ach so bewusst gibt gegenüber medialen Fragen ebenso wie ihrer Einbettung in die Mechanismen der Zirkulation, online wie offline – und die am Ende vor allem eins ist: eingebettet. Aber vielleicht ist diese Ausstellung ja wirklich anders.

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BY Dominikus Mueller in Frieze | 06 MAR 15

Zunächst einmal sieht Detox Plus nicht nur mit voller Absicht billig aus, sondern ist auch mit schmalem Budget gemacht. Präsentiert werden neun Arbeiten, acht davon in annähernd gleichem Format, gleich in Machart und Look. Die länglichen Leinwände aus dünnem schwarzen Stoff (Schmidtlein hat ihn nach Aussage der Galeristinnen im Ausverkauf bei Karstadt gekauft) werden mal hochkant verwendet, mal quer und sind allesamt mit „Farben“ auf der Basis von Produkten der Drogeriemarktkette dm bemalt. Die einzige nichtmalerische Arbeit ist eine Leuchtbox mit dem Logo des Drogeriemarkts, die täuschend echt draußen vor der Galerie angebracht ist (dm, wie alle Arbeiten von 2015).

Die Titel ergeben sich aus den jeweils verwendeten Produkten. Da ist Head and Shoulders, das gegenständlichste Gemälde der Ausstellung, das auf dem schwarzen Hintergrund dem Titel gehorchend Kopf und Schultern einer menschlichen Figur zeigt, während der Körper größtenteils unter einem weißen, annähernd rechteckigen Farbfleck verschwindet (und für das neben Kreide, Öl und Acrylfarbe eben Shampoo und Conditioner der gleichnamigen Marke verwendet wurden). Balea dagegen ist fast gänzlich abstrakt, man meint die Andeutung einer Hand zu erkennen und sucht in dem glitzernd-glibbrigen Fleck nach Rückständen der Cremes und Badezusätze aus der entsprechenden Körperpflegeserie. Für Profissimo wurde ein Reinigungsmittel aus der Haushaltslinie von dm verwendet. Passend zeigt das Bild ein Küchenmesser und eine Zigarettenpackung. Und auf The Beauty Effect ist eine liegende Figur zu erkennen, die ihre Arme über einen Kopf streckt, der vielmehr einem unregelmäßigen Geviert gleicht, auf das eine Mischung aus Anti-Pickel-Creme, ätherischem Öl und parfümiertem Wachs aufgetragen wurde. Wer nahe an die Leinwände tritt, kann die Produkte auch riechen.

Erstmal hört sich das nach einem billigen one liner an. Dessen Ziel aber ist – soviel wird schnell klar – weniger der thematisch angedeutete Drang zu Wellness und Detox, sondern die gegenwärtige Schwemme größtenteils vermeintlich konzeptueller (und größtenteils abstrakter) Metamalerei. Sprich: Der Witz funktioniert auf Kosten des Kurzschlusses von billigem Material und billigem Konzept, nicht durch ihn. Meta-Metamalerei, sozusagen. Ähnlich vielleicht dem, was die Obertrickster von Reena Spaulings unter dem Titel Later Seascapes zeitgleich in der Berliner Galerie Neu mit ihren „Zombie Formalism“-Seestücken machen, die von einem Bodenreinigungsroboter gemalt wurden. Auch das ein one liner, auch das Malereimalereikommentarmalerei. Wo einem Reena Spaulings’ Arbeiten aber längst als zynische Überbietungswitze vorkommen mögen, denen – nicht zuletzt aufgrund einer inzwischen erlangten Machtposition im Herzen des Betriebs – die Subversivität größtenteils verloren gegangen ist, fühlt sich das bei Schmidtleins Ausstellung (noch) anders an: eher schelmische Hofnarrennummer als nihilistisch-grimmige Herrschaftsgeste. Die Bilder scheinen auf mehr zu bauen als nur die Kraft des fiesen Witzes.

Schmidtlein mag sich des handelsüblichen Kurzschlusses zwischen Material und Konzept bedienen, durchkreuzt ihn aber auf dem Niveau des Formalen mit bewusst schlampig aussehender Figuration. Statt slick-dekorativer Abstraktion mit müdem konzeptuellen Überbau – Automatisierung eines längst nur noch vermeintlich auf Expressivität pochenden Malprozesses – gibt es hier hilflos-traurige, aber sehr konkrete Gestalten, die scheinbar ohne viel Erfolg versuchen, ihren müden und dreckigen Körpern mit billig-synthetischen Health-Produkten neues Leben einzuhauchen. Gleichzeitig aber ist Schmidtleins Malerei in dieser Tristesse auch weit von all den bunten Leinwänden entfernt, auf denen gegenwärtig versucht wird, Figuration als Comic zurückzubringen und mit Glubschaugen und niedlichen Monstern gegen die Fließband-Abstraktion anzustinken. Für mackerhaftes Bad Painting, an das man ebenfalls noch denken könnte, fehlt ihnen schließlich wieder die physische Wucht.

Kurz: Am Ende ist auch das ein grinsender Meta-Kommentar auf das allgegenwärtige Genre konzeptueller Malerei, einer aber, der das Ganze nicht zynisch zum Robo-Reiniger in den Dreck am Galerieboden tritt (und dann den Dreck verkauft), sondern den Schlamm einer 1,99-Euro-Gesichtsmaske aufträgt. Eine Art Frischzellenkur aus dem Geiste des Drogeriemarkts. Und siehe da: Darunter kommt durchaus noch zarte, junge Haut zum Vorschein. Wie heißt es im Slogan von dm so schön? „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“. Von Malerei-Bots ist das weit entfernt.

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