Derzeit begegnet man ihnen vielerorts: Insider-Outsidern. Der avancierte Kreativkapitalismus sieht es gern, wenn Figuren von den Außenseiten der Kultur auf deren Innenseiten wechseln – Business-Punks, Nerd-Milliardäre, Anthroposophen-Entrepreneurs, Major-Label-Satanisten oder Outsider-Artists. Wurden letztere traditionell bevorzugt in speziellen Biotopen gehegt und gepflegt – man denke an die Kunstsammlung des Psychiaters und Kunsthistorikers Hans Prinzhorn oder an Charlotte Zanders Outsider-Dauerausstellung auf Schloss Bönnigheim – so sieht man ihre Werke mittlerweile immer öfter in Zusammenhängen, in denen man gemeinhin Insider-Artists erwartet. Eingeläutet wurde der heutige Insider-Outsider-Boom von Harald Szeemanns epochemachender documenta 5, die 1972 Bilder der Alltagskultur wie auch die Kunst von, wie es damals hieß, „Geisteskranken“ ganz selbstverständlich miteinbezog. Heute bevölkern ehedem als „naiv“, „primitiv“, „verrückt“ oder doch wenigstens als „Sonderlinge“ eingestufte Künstler Gruppenausstellungen wie die 55. Biennale di Venezia (Massimiliano Gionis The Encyclopedic Palace, 2013), sind auf eigens für sie eingerichteten Messen vertreten (etwa auf der mondänen Outsider Art Fair, Paris/New York) und werden mit Einzelausstellungen in Kunstmuseen gewürdigt (etwa Adolf Wölfli im Kunstmuseum Bern, 2008). So verhält es sich auch mit dem Schweizer Hans Schärer (1927–97), dessen kuriose Madonnenbilder und derb-erotische Aquarelle aus den 1960er, 70er und 80er Jahren gerade im Kunstmuseum Aarau zu sehen sind.